Deutschland seine Bürger und deren Auffassung von Weiterbildung und Arbeitsleben
Heute möchte ich mal auf ein Thema eingehen, das mich seit einiger Zeit beschäftigt und was, glaube ich, in unserer Gesellschaft noch nicht ganz so angekommen ist. Es geht um das Thema nebenberufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Ich halte es für überaus wichtig, sich auch nach seiner Berufsausbildung, auch nach seinem Studium und natürlich erst recht nach dem Schulabschluss, ständig weiterzubilden.
Ich habe beispielsweise nach der Ausbildung zum Mediengestalter eine zweijährige Wochenend-Fortbildung zum Medienfachwirt bei der IHK absolviert und habe jetzt, also unmittelbar danach, sogar ein Wochenend-Fachhochschulstudium „Business-Administration“ angefangen. Während der Weiterbildung zum Fachwirt habe ich ein Fachbuch geschrieben. Zum einen weil ich mein Wissen in diesem Bereich dokumentieren wollte, zum anderen aber natürlich auch, weil ich wusste, dass ich dadurch sicherlich nicht dümmer sein werde als vorher und aus der Sache noch etwas mitnehmen werde.
Nun erwarte ich natürlich nicht, dass jeder so bekloppt ist wie ich und nach seiner dreijährigen Ausbildung noch eine zweijährige Fortbildung dranhängt, währenddessen ein Buch schreibt und danach, weil es so schön ist, noch studieren geht. Um Himmels Willen, aber ein bißchen Engagement kann man jawohl gerade in der heutigen Zeit – vor allem (aber nicht nur) – im Medien-/Software/IT-Bereich erwarten, oder sehe ich das falsch?
Ich spiele in Gesprächen mit Freunden und Kollegen, Bekannten und Unbekannten immer mal wieder auf das Thema Weiterbildung an und versuche so ganz beiläufig zu erörtern, wie die Leute mit denen ich zu tun habe, zu der Thematik stehen. Sehr oft erfahre ich, dass Leute sich weiterbilden wollen aber nicht wissen wie, wo und wodrin, gelegentlich treffe ich Leute, die sich tatsächlich nebenbei weiterbilden und leider noch zu oft treffe ich aber auch „Alleskönner“, die eine abgeschlossene Berufsausbildung als das höchste der Karriereleiter sehen. Wozu weiterbilden, man hat doch schließlich eine Ausbildung. Hardliner steigern diese Weiterbildungs-Resistenz dann noch mit so Sätzen wie (ehrlich schon mehrmals gehört): „Ich hab ja auch nichts besseres zu tun, als in meiner Freizeit Fachbücher zu lesen“. Ganz ehrlich: Nein!
Jeder der nicht nur im Hier und Jetzt lebt und auch in 10 Jahren noch (s)einen Job haben möchte, der sollte wenigstens Fachzeitschriften oder Weblogs lesen, sich auf Fachtagungen blicken lassen oder Seminare besuchen. Die Zeiten der Vollbeschäftigung sind vorbei, willkommen im 21sten Jahrhundert. In unseren Zeiten kann es durch Finanz- oder Wirtschaftskrisen jeder Zeit sein, dass man plötzlich ohne Job da steht. Und dann werden bei den wenigen offenen Jobs diejenigen genommen, die den meisten Output versprechen. Dies sind in der Regel diejenigen, die nicht nur mit veralteter Fach- und nicht vorhandener Methodenkompetenz glänzen, sondern (auch) durch Engagement neben der Arbeit.
Bei der EU gibt es das sehr begrüßenswerte Aktionsprogramm „Sokrates“ und auch Wikipedia hat einen prägnanten Artikel zum Thema lebenslanges Lernen. Meiner Meinung nach sollte auch die Bundesregierung expliziter an die Bürger appellieren sich nebenberuflich weiterzubilden. Förderungen um dies jedermann zu ermöglichen gibt es genug (Meisterbafög, Bildungsscheck, …).
Stillstand bedeutet Rückstand und Rückstand bedeutet in der Wirtschaft schlimmstenfalls die Insolvenz. Sollte es demnächst einmal soweit kommen, dass ich Angestellte habe, werde ich wohl darüber nachdenken eine Art „Weiterbildungsklausel“ im Arbeitsvertrag zu verankern. Wie auch immer diese geartet sein wird.
Anstoß zu diesem Artikel war ein Text von Lawblogger Udo Vetter mit dem Titel Polizisten: Sport während der Dienstzeit. Kurzer Kommentar noch dazu:
Selbstverständlich wird auch geregelt, wie viel Dienstzeit in Anspruch genommen werden darf, um an die erforderlichen Nachweise zu kommen: 24 Stunden im Jahr. „Viel zu wenig“, schimpft Gewerkschafter Wendt.
Diese Aussage halte ich für absolut fragwürdig. Mal ganz davon ab, ob es der richtige Weg ist, wenn der Staat einem Polizisten vorschreibt, dass dieser Sport zu treiben hat, schlimm genug, dass er das scheinbar überhaupt vorschreiben muss. Aber von einem Polizisten sollte man doch wohl erwarten können, dass er auch außerhalb seiner Arbeitszeit, und ich rede von mehr als zwei Stunden im Monat, ein wenig Sport treibt um sich für seinen Beruf fit zu halten, oder sehe ich das falsch? Und zwei Stunden der Arbeitszeit dafür nutzen zu dürfen, halte ich für ein sehr großzügiges Angebot der NRW-Landesregierung.
Ich würde gern einmal von euch wissen: Was macht ihr außerhalb eurer offiziellen Arbeitszeit um euch weiterzubilden? Wieviel Zeit wendet ihr dafür auf? Macht ihr dies freiwillig oder mehr oder weniger „auf Befehl“?
Veröffentlicht: 3.11.2008, 13:23 Uhr
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9 Kommentare zu “Deutschland seine Bürger und deren Auffassung von Weiterbildung und Arbeitsleben”
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November 3rd, 2008 at 14:51
Für mich ist Fortbildung selbstverständlich. Ich habe allerdings auch drei abgeschlossene Ausbildungen, insofern gehört lernen und weiterbilden für mich schon immer zum Alltag.
Insbesondere im Bereich der Informatik, egal in welchem Teilgebiet, ist es fast nicht möglich auf Weiterbildung zu verzichten.
Ich nutze unterschiedliche Wege um mich auf dem Laufenden zu halten:
* aktive und passive Teilnahme an Mailinglisten, Foren, Blogs, Usenet usw.
* Veranstaltungen wie Barcamps
* betriebsinterne Schulungen halten und daran teilnehmen
* Fachliteratur, insbesondere Bücher
Genaueres siehe auch Beiträge zu Fortbildung: http://www.miradlo.net/bloggt/index.php?s=fortbildung
In meinem Unternehmen gehören Schulungen und Fortbildungen auch während der Arbeitszeit selbstverständlich dazu, ich erwarte jedoch schon, dass jemand auch darüber hinaus mal noch liest.
Je nach Beruf kann es schon sein, dass Fortbildung nicht ganz so relevant und nötig ist, denn in manchen Berufen ändert sich nur wenig im Lauf der Jahre.
Die Einstellung und das Interesse am Beruf mancher, hat mich jedoch schon immer irritiert. Wer tatsächlich ausschließlich „seine Pflicht tut“ und nichts darüber hinaus, macht meines Erachtens irgendwas falsch.
November 3rd, 2008 at 14:56
[…] mache, dass es doch schon fast wieder ein bisschen wie Freizeit ist. Aktualisiert am 3.11.2008: Manuel Bieh fragt heute, wie es seine Leser mit Fortbildung halten. Im Kommentar schrieb ich, dass für mich […]
November 3rd, 2008 at 17:51
Manuel, du sprichst mir aus dem Herzen. Viele jammern nur herum wie schlecht die Politik alles macht, selbst rühren sie sich aber keinen Meter. Ich habe das ein bisschen ausführlicher in meinem Weblog kommentiert.
November 3rd, 2008 at 23:05
Ich hab im August meine Ausbildung zum Mediengestalter gestartet. Überlege noch, ob ich danach was in der Richtung studieren möchte – Kommunikationsdesign, Medien-Design – oder, so wie du auch, zum Medienfachwirt
mutierewerde.Ansonsten les ich auch viel Fachliteratur (Manuela Hoffmans Buch, Zeldman, dein Mobiles Webdesign-Buch ;)), Feeds, Online-Magazine und schau durchs Mediengestalter-Forum. Kann von mir also nicht behaupten, dass ich nur meinem 9-to-5+x nachgehe. Nur die Zukunftsplanung ist noch nicht ganz geschrieben.
November 4th, 2008 at 07:53
Tja, wie mache ich das?
Vielleicht habe ich als Quereinsteiger ohne Ausbildung in meinem Job den Vorteil, dass ich schon immer aus sallen verfügbaren Quellen selbst gelernt habe – und damit habe ich bis heute nicht aufgehört. Mein Arbeitstag beginnt mit einer Runde durch die (Fach-)-Blogs, wirklich interessantes wird auf die Merkliste geschoben und später in aller Ruhe noch einmal angeschaut. Und wenn sich die Gelegenheit gibt, sich mit anderen zu treffen – egal ob es Kongress, Barcamp, Webmontag oder wie auch immer heisst – dann versuche ich hinzukommen.
Ich kenne es ja nicht anders.
Die „ich habe meine Ausbildung, ich bin ‚fertig‘ „-Denken kenne ich auch bei Kollegen. Die arbeiten aber auch teilweise noch mit OS9 und wundern sich, warum die Welt ständig so schwer zu begreifen ist. Ich finde, das sagt alles.
November 4th, 2008 at 08:54
Ich habe wie Du damals (uff, vor 10 Jahren) auch eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht. Danach habe ich mir auch überlegt, noch ein Studium dranzuhängen, war dann aber so beschäftigt, daß ich es gelassen habe.
Denn: lernen muß man sowieso jeden Tag. Vor allem in unserer Branche muß man ständig up to date bleiben, da ist autodidaktisches Lernen unabdingbar!! Das kann Dir auch keiner beibringen!
Und mein Arbeitgeber gibt uns immer genug Zeit und Möglichkeiten, damit wir uns weiterbilden können. Ich selbst nehme mir im Schnitt jeden Tag 1 Stunde Zeit, um Feeds zu lesen, neue Sachen auszuprobieren, etc.
Also selbst ist der Mann/die Frau…
November 7th, 2008 at 18:27
Zum Teil erkläre ich es mir über die „Quall der Wahl“ auf dem übergesättigten Markt der Weiterbildungsangebote, weil wir es meistens so möglich wie einfach haben wollen, besonders wenn dann die Energie ins Lernen investiert werden sollte.
Aber der andere Teil ist auch unsere Einstellung: Lernen ist für uns ein Zustand, in dem wir mehr oder weniger öffentlich ausstrahlen, dass wir etwas noch nicht können. Zusammen mit dem Berufsalltag wird als sehr anstrengend empfunden. Und wie schon gesagt, wir wollen es meistens einfach haben …
November 16th, 2008 at 20:14
[…] [via Manuel Bieh] […]
Juni 25th, 2011 at 20:50
Hallo,
für mich hat Fortbildung immer schon eine große Rolle gespielt. Ich habe den Verkaufsleiter ILS im Fernstudium gemacht. Auch den ADA – Schein, den Fachwirt und den Betriebswirt machte ich. Zum Einen macht es Spaß zum Anderen bingt es früher oder später mehr Verantwortung und mehr Anerkennung. Weil mnich das Thema Fortbildung sehr interessiert, haben wir die Website: http://www.Aufstiegsfortbidung. com ins Leben gerufen. Die Seite soll allen, die vor der Wahl stehen eine Aufstiegsfortbilung zu machen, kostenlos und ohne Gegenleistung zu unterstützen.
freundliche Grüße
Josef